Muhammad Yunus gilt als geistiger Vater des Mikrofinanz-Gedankens und wurde dafür 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.In seinem Buch Ein anderer Kapitalismus ist machbar zeigt er auf, wie eine neue Wirtschaftsordnung jenseits des Kapitalismus aussehen könnte.
Schöne neue Welt
Im Jahr 2010 besaßen die 388 reichsten Menschen der Erde mehr als die ärmere Hälfte der Menschheit, also mehr als 3,3 Milliarden Menschen. Diese Zahlen führt Yunus in seinem Buch an. Inzwischen ist das Verhältnis noch extremer geworden.
Der real existierende Kapitalismus hat versagt
Der Wirtschaftswissenschaftler und Friedensnobelpreisträger Yunus konstatiert, dass der Kapitalismus sein zentrales Versprechen nicht eingehalten hat, nämlich dass die berühmte „unsichtbare Hand“ des freien Marktes dafür sorgt, dass alle am Wohlstand teilhaben. Stattdessen werden die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher. Und der Reichtum konzentriert sich in den Händen von immer weniger Menschen.
Tief in unserem Herzen erkennen wir alle, dass die alten Träume der Wirtschaftstheoretiker sich als Märchen erwiesen haben. Der real existierende Kapitalismus produziert mehr Schaden als Nutzen.
Muhammad Yunus
Yunus sieht den Grund für diese Entwicklung jedoch nicht dahin, dass die Reichen schlechte Menschen wären. Vielmehr attestiert er dem Kapitalismus einen grundsätzlichen Systemfehler sowie ein falsches Menschenbild. Er widerspricht der neoklassischenWirtschaftstheorie, nach der der Mensch stets danach strebt, seinen Gewinn zu maximieren.
Das soziale Unternehmertum ist die Lösung
Für Yunus muss der Markt auch für Social-Business-Unternehmen geöffnet werden. Für Unternehmen also, die selbstlose Absichten verfolgen und deren unternehmerisches Handeln darauf zielt, das Leben ihrer Mitmenschen zu verbessern. Unternehmen, so Yunus, sind innovativer und flexibler als Wohltätigkeitsorganisationen und können diese Ziele deshalb besser erreichen. Für Yunus sind Menschen nicht nur selbstloser, als es die vorherrschende Wirtschaftstheorie wahrhaben will, sie sind seiner Ansicht nach auch von Natur aus geborene Unternehmer – wenn man sie nur lässt.
Der Grundgedanke, jedem Menschen Kredite dafür einzuräumen, unabhängig von Bildungsgrad, Ersparnissen oder Referenzen, veranlasste Muhammad Yunus in den führen 1980er-Jahre zur Gründung der Grameen Bank. Sogenannte Mikrofinanzkredite sind heute in der ganzen Welt populär. Allein die Grameen Bank verleiht Yunus zufolge derzeitjährlich mehr als 2,5 Milliarden Dollar an 9 Millionen Kreditnehmer, die meisten davon Frauen. Die Rückzahlungsquote beträgt seinen Angaben zufolge beinahe 100 Prozent.
Als eines von vielen Beispielen für erfolgreiche Social-Business-Unternehmen führt Yunus Impact Water aus Uganda an. Das Unternehmen entwickelt Wasseraufbereitungssysteme, die an die Bedürfnisse und die finanziellen Möglichkeiten der Armen angepasst sind. Aber auch in Europa helfen Mikrokreditfinanzierungen dabei, Menschen aus der Armut zu befreien. Yunus nennt hier unter anderem das Unternehmen Udruzene aus Bosnien. Bei Udruzene stellen Frauen mit traditionellen Techniken Textilien her, die von internationalen Modedesignern vermarktet werden.
Social Business hat für Yunus das Potenzial, die Welt grundlegend zu verändern. Auch wenn der Friedensnobelpreisträger viele Beispiele aufführt, bei denen sich das Konzept als Erfolgsmodell entpuppt hat, lässt er dennoch offen, ob und wie es sich auf größere Unternehmen anwenden lässt.
Drei Megakräfte lassen auf eine bessere Zukunft hoffen
Im dritten Teil des Buchs beschäftigt sich Yunus mit den drei „Megakräften zur Veränderung der Welt“. Die erste Megakraft stellt für ihn die nachkommende Generation dar – auch Millennials genannt. Eine 2016 von der Harvard Universität durchgeführte Umfrage ergab, dass 51 Prozent der Millennials den Kapitalismus ablehnen. Warum das so ist, liegt für Yunus auf der Hand.
Die beste Anklage gegen den Status quo ist der Status quo selbst.
Muhammad Yunus
Viele junge Menschen in den USA sind bereits am Anfang ihres Berufslebens aufgrund der horrenden Studiengebühren verschuldet und haben Probleme, adäquate Jobs zu finden, so Yunus. Gleichzeitig attestiert er ihnen aber auch enorme Chancen: Nie war eine junge Generation besser ausgebildet und besser vernetzt als die heutige. Yunus fordert, junge Menschen zu Unternehmern zu erziehen und ihnen zu vermitteln, dass der Sinn von Arbeit nicht darin besteht, persönliche Reichtümer aufzubauen, sondern die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Die zweite Megakraft ist für Yunus die technologische Entwicklung. Besonders in der Kommunikationstechnologie sieht er große Potenziale zur Verbesserung der Lebensbedingungen armer Menschen.
Als dritte Megakraft nennt er gute Regierungen und Menschenrechte. Dass wirtschaftlicher Fortschritt an schlechter Regierungsführung scheitert, liegt für ihn auf der Hand. Denn Diktatur und Tyrannei erzeugen eine Atmosphäre der Angst, die jede Kreativität im Keim erstickt. Doch genau sie ist für eine blühende Wirtschaft unabdingbar.
Abschließend beschäftigt sich Yunus mit den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, die benötigt werden, um die Welt von morgen neu zu gestalten. Er betont dabei, dass der viel beschworene Konflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit nicht existiert. Vielmehr habe der Planet ohne eine neue nachhaltige Wirtschaftsweise keine Zukunft. Wir haben also gar keine Wahl, so sein Fazit, als das Wirtschaftssystem neu zu erfinden.
Die Lösung aller Probleme stellt für Yunus das soziale Unternehmertum dar. Hinsichtlich der Finanzierung seiner Utopie verweist er unter anderem auf die Initiative „Giving Pledge“, in der sich mehr als 150 der reichsten Menschen der Welt verpflichtet haben, nach ihrem Tod mehr als die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden.
Geldmachen macht glücklich, aber andere Menschen glücklich machen, macht superglücklich.
Muhammad Yunus
Ein anderer Kapitalismus ist machbar liefert zahlreiche Erfolgsgeschichten aus der Welt des Social Business und zeigt, wie ein anderer Kapitalismus aussehen könnte. Neben dem verständlichen und anschaulichen Schreibstil überzeugt auch der unerschütterliche Optimismus des Autors. Ob der immer gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten. Nichtsdestotrotz ist das Buch ein kleiner Hoffnungsschimmer ist einer Welt, die langsam, aber sicher immer mehr aus den Fugen zu geraten scheint. Klare Leseempfehlung!