Führungskräfte, die eigentlich gar nicht führen wollen, sondern vor allem auf Geld, Macht oder Status aus sind, schaden dem Unternehmen, denn sie vernachlässigen wichtige Aufgaben. Lencionis Fabel illustriert, woran man solche Führungskräfte erkennt. Und er zeigt, wie sie ihre Einstellung und ihr Verhalten ändern können.
Frei nach dem Alten Fritz: die Führungskraft als erster Diener des Unternehmens
Die Führungskraft als Diener
Das Motiv zählt zum Genre der Businessparabel, bei dem praktische Tipps für Führungskräfte in mehr oder weniger fiktive Geschichten aus der Unternehmenswelt verpackt dargereicht werden. In diesem Metier ist Patrick Lencioni sehr erfolgreich. Als Coach arbeitet er schon seit über 20 Jahren mit Führungskräften zusammen. Seine Bücher verkaufen sich millionenfach.
Wenn ich auf Examensfeiern Redner höre, die ihre Studenten auffordern, sie mögen nun ,in die Welt hinausziehen und Führungskräfte werden‘, dann möchte ich am liebsten dazwischenrufen: ,Nein!!! Bitte, werdet keine Führungskräfte! Es sei denn aus den richtigen Gründen!‘Patrick Lencioni
Laut Lencioni gibt es lediglich zwei Motive, die jemanden bewegen, führen zu wollen: der Wunsch zu dienen und das Streben nach Belohnung. Doch nur Ersteres zählt. Das Streben nach Belohnung hingegen ist kein akzeptables Motiv – es schadet sowohl dem Unternehmen als auch den Mitarbeitern. Wer auf Belohnung aus ist, eignet sich nicht für einen Führungsjob. Denn, so Lencioni, „Menschen, die durch Ruhm, Status und Macht motiviert sind, werden sich nicht den Anforderungen stellen, die das Führen mit sich bringt.“
Falsche Motive
Die Fabel ist gut geschrieben und ihre Botschaft kommt deutlich rüber. Zwar sind die Charaktere etwas holzschnittartig gezeichnet, doch das ist ja für eine Fabel durchaus typisch – wie auch das Ende, eine klassische „Moral von der Geschicht“: Der Protagonist hat gelernt. Er sieht seine Fehler ein, zieht die nötigen Konsequenzen und wird ein glücklicherer Mensch.
Doch Lencioni geht darüber hinaus: Der Fabel schließt sich als weiterer Teil „Die Lektion“ an. Er hebt das Buch auf ein höheres Niveau. Lencioni redet hier Klartext, was in der Fabel nur bedingt möglich war. Und er stellt fest, dass Das Motiv wohl sein wichtigstes Buch sei. Diesmal gehe es nämlich nicht nur darum, besser zu führen, sondern um die grundsätzlichere Frage, ob jemand überhaupt führen sollte. Damit setzt er am Selbstverständnis vieler Topmanager an und man hofft, dass seine Zeilen ihre Adressaten finden.
Mit der Aufteilung in zwei Motive, die sich wie Schwarz und Weiß oder Gut und Böse gegenüberstehen, erzeugt der Autor einen Dualismus. Dieses Mittel kann für das Verständnis komplexer Sachverhalte sehr nützlich sein, wenn die richtige Variable erwischt wird – wie etwa das Menschenbild in der Theorie X/Y von Douglas McGregor. Lencioni hat sich für die beiden Pole Pflichtorientierung und Belohnungsorientierung entschieden – und es funktioniert.
Schaden durch Belohnungen
Wer nach Belohnung strebt, lässt sich von Anreizen wie Status, Macht oder Geld locken. Er sieht seine Führungsposition als Anerkennung für erbrachte Anstrengungen und Leistungen – als habe er sich die Position verdient und könne nun ihre Früchte ernten und den eigenen Nutzen maximieren. Das aber, sagt Lencioni, sei ein „ganz furchtbarer Grund“, um eine Führungsaufgabe zu übernehmen oder gar CEO zu werden, und ein „großes Problem“. Warum? Die Führungskraft „wird den Nutzen unangenehmer und langweiliger Pflichten – Pflichten, die nur die Führungskraft erfüllen kann – für sich persönlich durchkalkulieren und daraufhin versuchen, sie zu meiden“. Und das, obwohl sie für Menschen verantwortlich ist, die in irgendeiner Weise angeleitet, geführt und auch geschützt werden müssen. Statt dies gewissenhaft zu tun, delegiert oder ignoriert sie, worum sie sich höchstpersönlich zu kümmern hätte.
Jede Führungskraft sollte sich Klarheit darüber verschaffen, welches Motiv bei ihr überwiegt, und alles dafür tun, um dem rein pflichtorientierten Motiv Schritt für Schritt näherzukommen.Patrick Lencioni
Fünf Unterlassungen kreidet Lencioni solchen Führungskräften an: Sie versäumen die Entwicklung ihres Managementteams. Sie achten nicht auf Probleme und Konflikte zwischen ihren Mitarbeitern. Sie meiden unbequeme Gespräche mit disziplinarischem Hintergrund. Sie hassen und meiden nötige Besprechungen aller Art. Und sie vernachlässigen die Kommunikation zentraler Botschaften, die eigentlich ständig wiederholt werden müssten, damit sie ihr Ziel erreichen. Sie sind miserable Vorbilder und bewirken damit eine Absenkung der Verhaltensstandards im gesamten Unternehmen.
Der dienende CEO
Pflichtorientierte CEOs sind sich bewusst, dass sie für viele der unbequemsten Aufgaben zuständig sind. Sie hören sozusagen das Gras wachsen und wissen genau, was wo im Unternehmen geschieht. Sie greifen bei Konflikten ein, beseitigen Missstände und sprechen Fehlverhalten an, bevor Probleme eskalieren. Sie entwickeln ihr Managementteam und achten darauf, dass dessen Mitglieder sich in derselben Weise um die eigenen Leute eine Ebene tiefer kümmern. Und sie räumen Besprechungen hohe Priorität ein: „Meetings sind das Wichtigste, was ein CEO zu tun hat. Und wenn meine Meetings schlecht wären, langweilig und ineffektiv, dann wäre das meine eigene Schuld und eine tödliche Gefahr für das Unternehmen“, lässt Lencioni den selbstlosen CEO sagen. Hohe Ansprüche haben ebenso Signalwirkung für die Belegschaft wie niedrige Standards – nur eben in mit umgekehrtem Vorzeichen.
Führungskräfte und ihre Motive
Lencioni betont, dass alle Führungskräfte beide Motive haben – sie sind sowohl belohnungs- als auch pflichtorientiert. Aber in der Regel dominiert eines der beiden Motive. Zahlen nennt Lencioni nicht, doch ist es wohl nicht allzu gewagt, anzunehmen, dass dienende CEOs in der Minderheit sind.
Allerdings ist das Motiv kein unabwendbares Schicksal. Belohnungsorientierte Führungskräfte können sich bewusst dafür entscheiden, ihre Einstellung zu ändern, so der optimistische Coach. Sie können das dienende Führen lernen – und werden merken, dass Aufgaben, die sie zuvor gemieden haben, durchaus Freude bereiten. Und pflichtorientierte CEOs müssen sich vor der Gefahr hüten, durch Lob und Schmeicheleien nachlässig zu werden. Sie sollten Menschen um sich scharen, die ihnen kritisches und ehrliches Feedback geben.
Es ist längst überfällig, dass wir, als Individuen und als Gesellschaft, den Standard wieder in Kraft setzen, dass es beim Führen niemals stärker um die Führer als um die Geführten gehen darf.Patrick Lencioni
Lencionis Buch richtet sich hauptsächlich an Topmanager größerer, hierarchisch strukturierter Unternehmen. Es ist zu wünschen, dass er viele von ihnen überzeugt, stärker pflichtorientiert zu handeln. Seine Ausführungen sind jedoch ebenso für kleine, inhabergeführte Betriebe oder Start-ups mit flachen Hierarchien und ausgeprägten Teamstrukturen geeignet. Denn geführt wird immer. Und sehr häufig könnte besser geführt werden.