Christian Stöcker zeichnet in seinem Buch ein düsteres Bild der globalen Klimapolitik und beschreibt eine Welt, die tief gespalten ist.
Der gesellschaftliche Riss, der die Zukunft verschlingt
Zwei Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber: Auf der einen Seite die Umweltschützer, die Bewegungen wie Fridays for Future unterstützen und versuchen, möglichst klimaneutral zu leben. Auf der anderen Seite finden sich diejenigen, die von einer „Klimalüge“ sprechen und Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen als unzumutbaren Eingriff in ihre persönliche Freiheit empfinden. Beide Seiten glauben, dass die jeweils andere die Wahrheit nicht sehen kann oder will. Und genau dieser Konflikt wird ganz gezielt weiter verschärft – das zeigt die Analyse von Christian Stöcker.
Profitable Zerstörung
Stöckers zentrale These ist, dass das Geschäft mit Öl und Gas so profitabel ist, dass diejenigen, die es betreiben, bereit sind, die Zukunft des Planeten zu opfern.
Teile dieses Buches klingen womöglich wie frei erfundene Verschwörungstheorien.
Allerdings handelt es sich bei der Fossil-Lobby nicht um eine Verschwörung, sondern um viele sehr unterschiedliche Akteure, die auf verschiedene Weisen ihre ähnlichen Interessen durchsetzen. Ein grundlegendes Problem dabei ist, dass das schmutzige Geschäft so viel Geld einbringt, dass die Profiteure in der Lage sind, Politiker, Systeme und Studien zu kaufen.
Stöcker unterlegt seine Argumente und Beispiele mit zahlreichen Untersuchungen und Zahlen von anerkannten wissenschaftlichen Einrichtungen, die Peer-Reviews durchlaufen haben und auf soliden Daten basieren. Dadurch schafft er eine fundierte und vertrauenswürdige Grundlage, was bei einem solchen Thema bitter nötig ist.
Stöcker beleuchtet, wie Öl- und Gaskonzerne sowie kohleproduzierende Staaten seit Jahrzehnten Lügen und Betrügereien nutzen. Sie etablieren Narrative, die vor allem dazu dienen sollen, den Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Politik zu verzögern.
Die Branchen, die von Öl, Gas und Kohle profitieren, sind riesig und umfassen nicht nur die Rohstoffförderung, sondern zum Beispiel auch die Automobil- und die Flugzeugbranche, Kraftwerksbetreiber, Logistikunternehmen, Baustoffhersteller. Hinzu kommen Investoren, darunter die komplette Finanzbranche, die von den hohen Gewinnen profitieren, während die Konsequenzen von der Allgemeinheit und zukünftigen Generationen getragen werden.
Die fossile Industrie setzt laut Stöcker auf eine breite Palette von Taktiken, um den Klimawandel zu leugnen und dringend notwendige Veränderungen zu verzögern. Sie finanziert, teilweise als Spenden, zu diesem Zweck unter anderem
- Öffentlichkeitsarbeit,
- gezielte Desinformation,
- Korruption,
- libertäre oder konservative Thinktanks und Institute,
- Wahlkampagnen klimaskeptischer, libertärer, autoritärer oder rechter Politiker sowie
- Klagen gegen den Ausbau erneuerbarer Energien, etwa Solar- und Windkraftanlagen.
Identität und politische Verflechtungen
Stöcker untersucht auch die sozialpsychologische Dimension des Klimawandels, insbesondere in den USA, wo die Trennung zwischen Klimaschützern und Klimaskeptikern entlang der politischen Lager verläuft. Er beschreibt, wie die Klimaleugnung Teil einer konservativen Identität geworden ist, die sich gegen progressive Werte wie Gleichstellung und Umweltschutz stellt. Diese Spaltung wird durch Desinformation und Propaganda noch verstärkt.
Angst vor gesellschaftlichem Fortschritt, vor Migration, vor alternativen Lebensentwürfen wird instrumentalisiert, um Parteien an der Macht zu halten, die tun, was die Fossilbranchen wünschen: möglichst wenig.
In den USA hat sich eine Art politische Stammesidentität entwickelt, die als Diskriminierungskriterium an manchen Stellen sogar mehr Gewicht hat als Rassismus. Wer das Klima schützen möchte, findet sich oft im demokratischen Lager zusammen mit Menschen, die auch die gleichgeschlechtliche Ehe und den Feminismus unterstützen. Doch das sind eben längst nicht alle. Studien belegen, dass es vor allem ältere, weiße Männer sind, die bei diesen Themen um den Verlust ihrer Privilegien fürchten. Und genau diese Ängste werden, so Stöcker, genutzt, um konservative Parteien zu stärken – und damit klimapolitische Maßnahmen zu bremsen.
In seinen Ausführungen zu Deutschland legt Stöcker den Fokus vor allem auf die Automobilindustrie. Er zeigt, wie ineffizient und klimaschädlich Verbrennermotoren sind, und kritisiert die Verflechtungen zwischen politischen Parteien und den fossilen Industrien. In Sachen Klimaschutz gibt es in Deutschland keine Brandmauer. FDP, CDU/CSU und AfD sind sich einig, so wenig wie möglich zu tun. Auch die SPD hat aufgrund ihrer traditionellen Unterstützung aus dem Bereich der Kohleförderung einiges zu verantworten. Diese Verflechtungen haben dazu geführt, dass der Klimaschutz in Deutschland jahrelang verzögert wurde.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Trotz der düsteren Diagnose bietet Stöcker auch Hoffnung: Erneuerbare Energien sind effizient und reichlich vorhanden. Er plädiert dafür, nicht mehr in fossile Brennstoffe zu investieren und stattdessen auf erneuerbare Energien zu setzen, Energie zu sparen und den Konsum von Fleisch und Milchprodukten zu reduzieren. Die Nutzung von Feuer hat die Geschichte der Menschheit geprägt, doch heute ist es möglich, zu kochen, heizen und zu fahren, ohne etwas zu verbrennen – dank der erneuerbaren Energien.
Fazit: Eine gründliche Analyse
Christian Stöcker liefert in Männer, die die Welt verbrennen eine fundierte und engagierte Analyse der Klimakrise und der Kräfte, die sie vorantreiben. Er belegt seine Argumente gut und zeigt die tiefgreifenden Verflechtungen zwischen Politik und fossiler Industrie auf. Man merkt, dass der Autor ein gründlicher Denker ist, der auf Nachvollziehbarkeit und Fakten setzt – ganz wie man es von einem Berater des Deutschen Bundestages erwarten würde.
Allerdings bleibt offen, wie die gesellschaftliche Spaltung überwunden werden kann. Das Buch spricht vermutlich eher diejenigen an, die bereits vom Klimaschutz überzeugt sind, und bietet wenig Ansätze, Skeptiker zu erreichen. Trotzdem ist es ein wichtiges Werk, das die Dringlichkeit und die Komplexität der Klimakrise eindrucksvoll darstellt.