Was Sie über Ihre Ernährung schon immer lieber nicht wissen wollten
Der Ernährungskompass

Was Sie über Ihre Ernährung schon immer lieber nicht wissen wollten

Was ist gesund, was nicht? Um den Dschungel der Mythen und Widersprüche zu lichten, sichtete der Autor Tausende von Forschungsberichten über Ernährungsfragen. Es ging immerhin um sein Überleben.

Um sich selbst zu heilen, begann Bas Kast, wissenschaftliche Studien auszuwerten

Ernährungsfragen werden gerne und leidenschaftlich diskutiert, oft mit missionarischem Eifer. In Frauenzeitschriften jagt eine Diät die nächste. Buchveröffentlichungen zum Thema sind unüberschaubar. Ernährungsformen und Vorlieben wie Vegetarismus, Veganismus, Paleo, Paleo-vegan, Clean Eating, Fruganismus, Slow Food und weitere konkurrieren miteinander. Da scheinen Überzeugungen und Glaubensfragen mitunter bedeutsamer zu sein als wissenschaftliche Erkenntnisse über gesunde Kost.

Wenn dann vom Magazin Bild der Wissenschaft ausgerechnet ein Ernährungskompass zum „Wissensbuch des Jahres 2018“ gewählt wird, lässt das aufhorchen. Dabei ging es dem Autor Bas Kast zunächst mehr oder weniger ums eigene Überleben. Auf seinem Speiseplan standen regelmäßig morgens Schokolade und abends eine Tüte Chips. Er joggte zwar viel, doch Polster um den Bauch wuchsen unübersehbar. Leider häuften sich auch Herzattacken – erst beim Joggen, dann sogar nachts. Allmählich dämmerte ihm, dass er etwas ändern sollte.

Und so begann er, Forschungsberichte über Ernährung, Übergewicht, die Biochemie des Stoffwechsels und einiges mehr zu sammeln. Immerhin hatte er Psychologie und Biologie studiert, arbeitete als Wissenschaftsredakteur beim Berliner Tagesspiegel und kannte sein Handwerk. Er wollte sich selbst heilen.

 

Ich fing an zu recherchieren, mit dieser einfachen Frage im Kopf: Was soll ich essen, um mein Herz zu schonen?

Bas Kast

Kast wertete ein paar Tausend Studien aus. Dabei konzentrierte er sich auf vier Aspekte: wie man effizient abnimmt, wie man sich mit einer geeigneten Ernährung vor Krankheiten schützt, was Ernährungsmythen und was Fakten sind, sowie ob man mit der richtigen Kost das Altern verlangsamen kann.

Unser Körper braucht Proteine – pflanzliche sind gesünder als tierische

Unsere Nahrung enthält beispielsweise die Energielieferanten Kohlenhydrate, Fette und Proteine (Eiweiße). Kohlenhydrate und Fette liefern „nur“ Energie und können leicht als Körperfett gespeichert werden. Proteine hingegen haben diverse andere Funktionen. Sie sind am Aufbau des Körpers und der Muskeln beteiligt, aber auch an der Regulierung des Immunsystems. Außerdem zeigen Studien, dass ein Sättigungsgefühl erst auftritt, wenn unser Eiweißhunger gestillt ist. Daher essen Menschen bei eiweißreicher Kost weniger als bei eiweißarmer. Bei Letzterer müssen wir mehr Kohlenhydrate und Fette zu uns nehmen, bis der Eiweißhunger endlich gestillt ist.

Proteine sind zwar wichtig, doch es spielt auch eine große Rolle, woher sie stammen, so Kasts Erkenntnis. Häufig werden sie von ungesunden Nebenbestandteilen begleitet. Bei der Verarbeitung durch die Nahrungsmittelindustrie werden sie durch Zucker und Fette regelrecht verdünnt oder gestreckt. So sind etwa die beliebten Chicken Nuggets vor allem fettig, können aber „Restspuren von Eiweiß“ enthalten, wie der Autor ironisch anmerkt.

Allerdings sind tierische Proteine tendenziell sehr viel ungesünder als pflanzliche. Die Ursache ist noch nicht genau geklärt, so Kast. Gesundes Fett findet sich beispielsweise in Nüssen und – falls es unbedingt tierisch sein soll – in fetthaltigem Fisch, Meeresfrüchten, Eiern und mit Einschränkungen auch in Geflügel. Besonders zuträglich ist Joghurt. Die enthaltenen Milchsäurebakterien helfen beim Abnehmen, lindern chronische Entzündungsprozesse und verbessern sogar das Hautbild.

Es gibt sowohl gesunde als auch schädliche Kohlenhydrate und Fette

So geht es weiter. Bas Kast nimmt den Zucker unter die Lupe und warnt vor zuckerhaltigen Getränken einschließlich Fruchtsäften, die keineswegs harmloser seien als Cola. Er schaut auf Kohlenhydrate, Diäten sowie die Bedeutung sportlicher Aktivitäten. Ja, es gebe „gute“ Kohlenhydrate, nämlich vor allem unverarbeitete, langsam verdauliche und ballaststoffreiche. Bei Milch falle auf, dass fast jede Studie, die deren positive Wirkung unterstreiche, von der Milchindustrie finanziert werde. Da seien fermentierte Milchprodukte wie Käse oder Joghurt erheblich gesünder. Der oft verteufelte Kaffee sei nicht schlecht, sondern gut fürs Herz. Er schütze vor Krebs, helfe der Leber und senke das Diabetes- und Parkinsonrisiko. Dies gelte aber nur für Filterkaffee, nicht für Derivate wie Espresso oder gar Mokka. Auch Tee senke die Sterblichkeitsrate, wobei grüner etwas gesünder sei als schwarzer.

Fett ist ein großes Thema. Ungünstig sei gesättigtes Fett, etwa aus Vollmilch, rotem Fleisch, Butter oder Käse. Schlimmer seien aber die sogenannten Transfette (in Chips, Keksen usw.) mit veränderten Molekülen. Sie können beispielsweise Entzündungen und Insulinresistenz auslösen. Günstig seien hingegen einfach oder gar mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die eine herzschützende Wirkung hätten. Kast empfiehlt vor allem kalt gepresstes Olivenöl, das überdies noch schützende Pflanzenstoffe (Polyphenole) enthalte. Mehrfach ungesättigt sind beispielsweise Omega-3-Fettsäuren, die sich in fetthaltigem Fisch wie Lachs, Makrele oder Thunfisch befinden.

Ganz wichtig: Kochen mit frischen, naturbelassenen Lebensmitteln

Wichtig sei aber nicht nur, was wir zu uns nehmen, sondern auch wann. So sei es beispielsweise sinnvoll, nur von 8 bis 20 Uhr etwas zu essen, um dem Körper in längeren Essenspausen Aufräumprozesse in den Zellen (die Autophagie) zu ermöglichen.

Die Recherchen und seine Nahrungsumstellung scheinen Bas Kast mehrfach geholfen zu haben. Er sieht auf Fotos fit und gesund aus. Und sein Ernährungskompass wurde zum Bestseller. Zu Kasts zentralen Empfehlungen gehört, selbst zu kochen, und zwar mit frischen, naturbelassenen Lebensmitteln. In einem Interview nach Clean Eating befragt betont er, dass dieser Trend zwar in die richtige Richtung gehe, ihm aber zu streng sei. Er wolle keine Religion daraus machen. Bas Kast präsentiert dem Leser also die Ergebnisse unzähliger Studien zur Orientierung – mehr nicht. Damit bleibt es dem nun deutlich besser informierten Leser selbst überlassen, was er aus den Erkenntnissen macht.

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